Schlaganfall / Querschnittssyndrome / Lähmungen / Hirntumore
Die idiopathische Fazialisparese (Bell’s Palsy) ist die häufigste Hirnnervenläsion.
Bei Auftreten der Lähmung werden oft begleitend Schmerzen hinter dem Ohr und schwer fassbare Missempfindungen im Bereich der gleichseitigen Wange angegeben. Auch können Schmeckstörungen ein führendes Symptom sein, während eine Hyperakusis (lauter hören) durch eine Parese des M. stapedius wesentlich seltener vorkommt. Für die klinische Beurteilung ist es wichtig, ob neben der Fazialisparese andere neurologische Ausfälle vorliegen. Pathophysiologisch werden derzeit Entzündung und Reaktivierung einer Herpes-simplex-Virus-Infektion als wichtigste ursächliche Faktoren diskutiert.
Grundlage der Diagnostik ist die klinische Untersuchung, die Auskunft über das Ausmaß und den Schweregrad der Nervenläsion sowie mögliche Begleitbefunde ergibt. Wichtige klinische Beurteilungsmerkmale sind der Lidschluss, die Mitbeteiligung des M. stapedius, die Tränen- und Speichelsekretion sowie das Schmecken. Ein inkompletter Lidschluss und eine verminderte Tränenproduktion bergen das Risiko einer Hornhautulzeration. Da Herpesbläschen ausschließlich im Gehörgang auftreten können, muss bei der Erstuntersuchung immer otoskopiert werden. Bei abnorm starken Schmerzen sollte, auch wenn keine Herpesbläschen vorliegen, differenzialdiagnostisch an eine Zosterinfektion (Zoster sine herpete) gedacht werden.
Als notwendig ist die Borrelien-Serologie zu betrachten, insbesondere bei Kindern, da hier der Anteil an Neuroborreliosen mit isolierter Fazialisparese besonders hoch ist. Eine Varicella-Zoster-Serologie ist erforderlich bei Verdacht auf Zoster oticus, wobei Rötung, Schwellung, Ödem, Bläschenbildung im Ohrbereich oder am Trommelfell und Schmerzen in der Ohrregion hinweisend sind.
Kontrovers wird die Frage zur Notwendigkeit einer Lumbalpunktion beurteilt. 10–20 % der Patienten mit anfangs vermuteter idiopathischer Fazialisparese nach Liquordiagnostik dann abschließend doch eine symptomatische Fazialisparese aufwiesen, meist erregerbedingt.
Bei Kindern (hoher Prozentsatz nicht idiopathischer Fazialisparesen) und bei klinischem Verdacht auf eine primär nicht idiopathische Fazialisparese (starker lokaler Schmerz, bilaterale Fazialisparese, lokales vesikuläres Exanthem, z. B. isoliert im Gehörgang, vorbekannte Systemaffektion oder Malignomerkrankung) ist eine Lumbalpunktion auf jeden Fall indiziert, da sie substanziell zur Differenzierung der Genese beitragen kann.
Eine gesonderte HNO-ärztliche Untersuchung ist angezeigt bei Auffälligkeiten im Bereich des Ohres, der Ohrspeicheldrüse, des Mastoids, des Trommelfells und einer Beeinträchtigung der Hörfunktion.
Bei Verdacht auf Kornealulkus wird der Ophthalmologe hinzugezogen.
Die Prognose der Erkrankung ist insgesamt gut. Nach einer Beobachtungsstudie aus dem Jahr 1982 bei unbehandelten Patienten kommt es in 85 % der Fälle zu einer Rückbildung binnen 3 Wochen nach Symptombeginn und bei weiteren 10 % zu einer partiellen Rückbildung nach 3–6 (9) Monaten. In 71 % der Fälle ist die Rückbildung vollständig, in 13 % unvollständig, wenngleich den Patienten nicht wesentlich beeinträchtigend.
Lediglich in 16 % ist die Reinnervation so unvollständig, dass Synkinesien (Mitbewegungen) und/oder autonome Störungen (Krokodilstränen) und/oder Kontrakturen auftreten. In einer Nachfolgeuntersuchung mit einem Anteil von 34 % nicht idiopathischer Fazialisparesen kam es zu einer vollständigen Rückbildung bei 71 %, zu dezenten residuellen Symptomen bei 12 %, zu milden Funktionsstörungen bei 13 % und zu schweren residuellen Funktionsstörungen bei 4% . Die Prognose der idiopathischen Fazialisparese in der Schwangerschaft ist etwas ungünstiger. Fazialisparesen nach Zosterinfektion münden häufiger in einer Defektheilung. Borrelien-induzierte Fazialisparesen haben nahezu immer eine gute Prognose.
In unserer Praxis behandeln wir Facialisparesen mit der funktionellen Magnetstimulation, insbesondere nach unzureichender Besserung. Weitere Informationen finden Sie unter Therapien.
Einem Schlaganfall können sowohl Durchblutungsstörungen als auch Blutungen in das Gehirn zugrunde liegen – eine klinische Differenzierung ohne apparative Diagnostik zwischen beiden Zuständen, die unterschiedliche therapeutische Konsequenzen haben, ist nicht möglich. Auch die prognostische Einschätzung unmittelbar nach Beginn der Erstmanifestation neurologischer Ausfallserscheinungen bedarf der frühzeitigen Diagnostik durch vaskuläre und zerebrale bildgebende Verfahren sowie funktionelle Untersuchungsmethoden.
Bei den zerebralen Ischämien (Durchblutungsstörungen) (ca. 80–85 % aller Schlaganfälle) gibt es je nach betroffenem Hirnareal eine Vielzahl klinischer Erscheinungsformen, z.B.
Embolien sind eine der häufigsten Ursachen von zerebralen Ischämien, die auch zu sekundären Blutungen führen können und prognostisch gravierender sind als kleine subkortikale Gefäßverschlüsse.
Der zeitliche Verlauf zerebrovaskulärer Erkrankungen ist sehr unterschiedlich. Die ältere Definition einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) als alleinige retrospektive Zuordnung einer vollständigen klinischen Remission innerhalb von 24 Stunden ist nach den Ergebnissen der modernen diagnostischen Bildgebung obsolet und sollte auf Patienten ohne strukturellen Schädigungsnachweis im MRT sowie auf eine Symptomdauer von weniger als 1 Stunde beschränkt werden. Eine transiente Symptomatik mit nachgewiesener Läsion hat ein wesentlich höheres Risiko für einen Schlaganfall mit bleibender Behinderung als eine transiente Symptomatik ohne Läsion in der Bildgebung. Insgesamt ist eine TIA daher ebenfalls als ein Schlaganfall anzusehen, was eine weitgehend identische Diagnostik und Rezidivprävention erfordert.
Intrazerebrale Blutungen (ICB) machen 10–15 % aller Schlaganfälle aus. Überwiegende Ursache spontaner ICB ist ein Riß kleiner Arterien im Gehirnparenchym als Folge einer zerebralen Mikroangiopathie (Erkrankung der kleinen Gefäße) bei langjährigem Bluthochdruck. Andere Ursachen sind eine zerebrale Amyloidangiopathie, Aneurysmaruptur sowie Gefäßmissbildungen, seltener sind Thrombosen der zentralen venösen Blutleiter, Hirntumoren, Vaskulitiden(Entzündungen der Gefäße), Enzephalitiden, Gerinnungsstörungen, die Einnahme gerinnungswirksamer Medikamente, Drogen (z. B. Kokain) oder hämatologische Erkrankungen.
Ein Drittel aller ICB tendiert zur Größenzunahme innerhalb von 12–24 Stunden, dabei kann es infolge eines Anstiegs des Hirnd
rucks unabhängig von der Lokalisation der Blutung zu weiteren Symptomen wie Kopfschmerzen, Erbrechen und einer progredienten Bewusstseinstrübung (Hirndruckzeichen) kommen.
Subarachnoidalblutungen (SAB) machen ca. 5 % aller Schlaganfälle aus. Die klassischen klinischen Symptome einer SAB sind ein schlagartig einsetzender Kopfschmerz („Vernichtungskopfschmerz„), Bewusstseinsstörungen mit oder ohne fokale neurologische Defizite. Infolge einer Liquorabflussstörung kann es in der Frühphase nach einer SAB verzögert zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks mit Hirndrucksymptomen oder zu Vasospasmen mit nachfolgenden Infarkten kommen.
Epidurale und subdurale Blutungen sind praktisch immer Traumafolgen und bewirken in der Regel eine subakute klinische Symptomatik.
Nicht eitrige Thrombosen zerebraler venöser Blutleiter (0,5–1 % aller Schlaganfälle) haben unterschiedliche Ursachen und manifestieren sich sehr variabel. Die klassische Symptomtrias mit Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen und epileptischen Anfällen tritt nur bei einem Teil der Patienten auf, häufiger sind unspezifische, oft schleichende, subakute oder wechselnde Beschwerden.
Akuttherapie-orientierte Erstdiagnostik des ischämischen Schlaganfalls
Bei Auftreten eines Schlaganfalls soll unverzüglich der medizinische Notfalldienst verständigt und eine Einweisung in ein qualifiziertes Zentrum veranlasst werden. Eine Vorabinformation des Zentrums durch den Rettungsdienst sollte erfolgen, um die intrahospitalen Abläufe zu beschleunigen.
Der Schlaganfall ist wie der Herzinfarkt oder die Lungenembolie als medizinischer Notfall zu behandeln. In der präklinischen Behandlungsphase ist eine sichere Differenzierung zwischen den einzelnen Schlaganfallsubtypen (Ischämie oder Blutung) nicht möglich. Die Mehrheit der Schlaganfallpatienten kann immer noch nicht mit Thrombolyse behandelt werden, weil sie nicht rasch genug das Krankenhaus erreichen.
Das Konzept des „Time is Brain“ sollte allen Mitgliedern der Schlaganfallversorgungskette verinnerlicht sein. Die fehlende Wahrnehmung der Schlaganfallsymptome und das Hinzuziehen des Hausarztes verzögern die Aufnahme in das Krankenhaus.
Die medizinische Behandlung des Patienten mit akutem Schlaganfall setzt sich aus 5 Bestandteilen zusammen:
Rekanalisierende Therapie:
Medikamentöse Thrombolyse:
Sekundärprophylaxe:
Neurorehabilitation:
Nach akuter Hirnschädigung ist möglichst frühzeitig, d.h. noch im Akutkrankenhaus, mit rehabilitativen Maßnahmen zu beginnen (Prinzip der Frührehabilitation) und dann, wenn erforderlich, so rasch wie möglich die Verlegung in eine qualifizierte stationäre oder teilstationäre/ambulante Rehabilitationseinrichtung vorzunehmen.
Reha-Stufen | Phasenmodell (BAR) | Grad der Autonomie (Selbstbestimmung) | Ziele |
---|---|---|---|
Akutbehandlung, Früh-Reha | A, B | biologische Autonomie (Vitalfunktionen) | Unabhängigkeit von Maschinen und dauernder Pflege |
postakute stationäre und ambulante Reha | C, D | funktionelle Autonomie (ADL: Schlucken, Toilettenfähigkeit, Selbstversorgung, Mobilität, Kommunikation) | Unabhängigkeit von Pflege und ständiger funktioneller Hilfestellung |
wohnortnahe stationäre und ambulante Reha | D | soziale Autonomie (soziale Reintegration einschließlich beruflicher Wiedereingliederung) | unabhängige, selbstbestimmte Lebensführung in der sozialen Gemeinschaft |
ambulante Nachsorge | E | Sicherung des Rehabilitationserfolges |
Akuttherapie-orientierte Erstdiagnostik intrakranieller Blutungen
Bei klinischem Verdacht auf eine subarachnoidale Blutung und unauffälliger zerebraler Bildgebung muss zum endgültigen Ausschluss einer SAB eine Lumbalpunktion durchgeführt werden.
Therapie der SAB
Aneurysmaausschaltung
Patienten mit rupturierten Aneurysmen, deren Anatomie eine erfolgreiche endovaskuläre Behandlung wahrscheinlich macht, sollen aufgrund besserer klinischer Langzeitergebnisse diese Behandlungsoption (Coiling) erhalten.
In unserer Praxis können wir mit der funktionellen und transcraniellen Magnetstimulation eine erfolgreiche Therapie auf dem Gebiet der Neurorehabilitation anbieten. Weitere Informationen finden Sie unter Therapien.
Stefanie Dierkes-Möller
Montag und Mittwoch
von 9.00 bis 13.00 Uhr
Dienstag und Freitag
von 9.00 bis 15.00 Uhr
Bei Bedarf auch Abendsprechstunde!